In vielen Unternehmen sind Zuständigkeitsverteilungen für die Geschäftsführung üblich, die den unternehmerischen Alltag deutlich erleichtern. Derartige Geschäftsverteilungen und Ressortzuständigkeiten ändern nichts an der prinzipiellen Gesamtverantwortung aller Geschäftsführer gegenüber dem Unternehmen. Sie regeln vor allem die konkreten Pflichten des jeweils nicht zuständigen Geschäftsführers: Seine Verpflichtung betrifft dann nicht mehr die Vornahme von Geschäftsführungsmaßnahmen, sondern die Überwachung. Im Rahmen einer solchen Mitverantwortung hat jeder Geschäftsführer alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, damit sich die Gesellschaft recht- und zweckmäßig verhält.
Auch im Hinblick auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 11.01.2018 (Az. I 15 U 66/17) ist es jedem Geschäftsführer dringend zu empfehlen, auch „über den Tellerrand“ seines Zuständigkeitsbereichs hinaus zu blicken und sich insbesondere bei Kenntnis von Patentverletzungen als zuständig zu betrachten.
In dem Patentverletzungsverfahren vor dem OLG Düsseldorf stritten Procter & Gamble und die Wilkinsons Sword GmbH um den Vertrieb von Rasierklingen, die auf den Nassrasierer „Gilette Mach 3“ passen. Zuvor hatte Procter & Gamble eine Abmahnung an die Geschäftsführung der Wilkinsons Sword GmbH geschickt. Das OLG Düsseldorf entschied, dass alle Geschäftsführer der Wilkinsons Sword GmbH für die Patentverletzung auch persönlich haften:
Die Geschäftsführer, die gemäß der internen Zuständigkeitsverteilung für Herstellung und Vertrieb verantwortlich sind, hätten eine Garantenstellung inne und haften, wenn sie es unterlassen, das Unternehmen so auszurichten, dass keine Schutzrechte Dritter verletzt werden. Darüber hinaus haften aber auch die Geschäftsführer, die nach der internen Zuständigkeitsverteilung nicht mit der Herstellung und dem Vertrieb der streitgegenständlichen Klingen betraut waren. Denn wenn ein Geschäftsführer von einer Patentverletzung erfahre („positive Kenntnis“), so habe er etwas dagegen zu unternehmen, auch wenn nicht sein Zuständigkeitsbereich betroffen sei. Eine solche „positive Kenntnis“ könne ein Geschäftsführer etwa dadurch erlangen, dass eine an die gesamte Geschäftsführung adressierte Abmahnung beim Unternehmen eingeht.
Dies hatte im Urteil des OLG Düsseldorf zur Folge, dass für den Fall einer Zuwiderhandlung gegen das gerichtliche Verbot, die Rasierklingen weiterhin zu vertreiben, nicht nur dem Unternehmen, sondern auch allen Geschäftsführern persönlich (unabhängig vom Zuständigkeitsbereich) ein Ordnungsgeld von bis zu EUR 250.000,00 bzw. Ordnungshaft angedroht wurde.
Auch wenn oberste Gerichte im Hinblick auf Markenverletzungen oder UWG-Verstöße bereits anders entschieden haben, sollten Geschäftsführer sich sicherheitshalber bei Eingang von Abmahnungen nicht mit dem Argument zurücklehnen, dass die betreffende Verletzung nicht in ihren Zuständigkeitsbereich falle. Im Fall der Rasierklingen hatten sich die Geschäftsführer mit der Meinung, nicht zuständig zu sein, erheblich „geschnitten“.
Rechtsanwältin Ingra Eva Herrmann
Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht
Wirtschaftsmediatorin
Müller-Hof | Rechtsanwälte, Karlsruhe
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