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Aktuelles aus Recht und Steuern

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Beiträge

28.05.2019 | Familienrecht | Sabine M. Laukenmann

Rentenkürzung im Scheidungsverfahren, Möglichkeiten der Abhilfe

Anlässlich der Scheidung einer Ehe findet regelmäßig ein Rentenausgleich unter den Eheleuten statt, der als Versorgungsausgleich bezeichnet wird. Dabei werden die während der Ehezeit bei jedem Ehegatten begründeten Rentenanwartschaften hälftig geteilt. Dies gilt nicht nur für die gesetzlichen Rentenanwartschaften, sondern auch für private wie Betriebsrenten und andere Versorgungswerke. Die Aufteilung jedes einzelnen Rentenrechts erfolgt im Rahmen der Ehescheidung und wird im Scheidungsbeschluss erwähnt. Die Kürzung erfolgt dann automatisch, sobald der Scheidungsbeschluss rechtskräftig ist. Die Eheleute bekommen davon meist nichts mit, der Versorgungsausgleich wird vergessen. Spätestens dann, wenn ein Ehegatte das Rentenalter erreicht hat, wird er sich daran erinnern. Denn seine Rente wird um die ihm im Versorgungsausgleich weggenommenen Rentenanwartschaften gekürzt. Bei einer langjährigen Ehe kann das dazu führen, dass annährend die Hälfte der erwirtschafteten Rente nicht ausbezahlt wird, sondern durch den Versorgungsausgleich auf das Rentenkonto des anderen Ehegatten gegangen ist. Ist der geschiedene Ehegatte, der gerade Rentner wurde, dann auch noch verpflichtet nachehelichen Unterhalt zu bezahlen, sind wirtschaftliche Probleme vorprogrammiert. Dies gilt umso mehr, wenn der geschiedene, unterhaltsberechtigte Ehegatte erheblich jünger ist und in den Genuss der Durchführung des Versorgungsausgleichs noch gar nicht kommen kann. Der andere Ehegatte muss dann den Unterhalt aus seiner gekürzten Rente zahlen.

In einem solchen Fall besteht die Möglichkeit die Rentenkürzung, die bereits bei Ehescheidung erfolgt ist, zeitweise auszusetzen. Die Aussetzung erfolgt maximal in Höhe des zu zahlenden bzw. tatsächlich bezahlten nachehelichen Unterhalts. Zeitlich kann die Aussetzung solange erfolgen, wie Unterhalt geleistet wird, maximal bis zum Renteneintritt des Unterhaltsberechtigten. Bei der Aussetzung der Rentenkürzung muss das Gericht prüfen, ob die Unterhaltsregelung, aufgrund derer der Unterhalt bezahlt wird, auch den gesetzlichen Vorschriften entspricht. Bei Vereinbarungen zum Unterhalt und insbesondere bei Unterhaltsabfindungen ist dabei darauf zu achten, dass das Gericht später nachvollziehen kann, wie sich der Unterhalt oder die Unterhaltsabfindung exakt zusammensetzt und welche konkreten monatlichen Unterhaltsbeträge geschuldet sind. Nur dann wird das Gericht der beantragten Aussetzung der Rentenkürzung zustimmen. In diesem Fall erhält der geschiedene Ehegatte seine ungekürzte, also volle Rente bis maximal zur Höhe des Unterhaltsbetrags.

Der Umfang der gerichtlichen Prüfung ist allerdings begrenzt. Besteht ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch und wird dieser Unterhalt auch tatsächlich bezahlt, ist das Gericht nicht berechtigt Einwände gegen diesen Unterhaltsanspruch auf Herabsetzung oder Befristung zu berücksichtigen, wenn der geschiedene unterhaltspflichtige Ehegatte diese nicht selbst eingewandt hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Bestand und Höhe des Unterhaltsanspruchs durch das Gericht zu prüfen. Dabei darf aber die Dispositionsbefugnis der ehemaligen Ehegatten nicht übergangen oder eingeschränkt werden. Konkret bedeutet dies, dass eine Herabsetzung oder Befristung eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs nicht von Seiten des Gerichts eingewandt werden kann, wenn der geschiedene Ehegatte selbst aus nicht auf das Aussetzungsverfahren bezogenen Gründen bewusst darauf verzichtet, diese Reduzierungsmöglichkeit des nachehelichen Unterhalts geltend zu machen.

Zu beachten ist beim Antrag auf Rentenkürzung auch, dass die Aussetzung der Kürzung, also die Möglichkeit die volle Rente zu beziehen, erst ab dem ersten Tag des Monats, der auf den Monat der Antragstellung folgt, wirkt. Der Antrag ist daher möglichst frühzeitig zu stellen, um nicht zunächst mit einer gekürzten Rente ins Rentenalter starten zu müssen. Der Antrag auf Aussetzung der Rentenkürzung kann nur bei Gericht gestellt werden. Es ist zu empfehlen, dies durch einen im Familienrecht versierten Rechtsanwalt tun zu lassen.

Rechtsanwältin Sabine M. Laukenmann

Fachanwältin für Familienrecht, Mediatorin
Jehle • Láng • Meier-Rudolph • Köberle, Freiburg
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28.05.2019 | Baurecht | Michelle Jakob

Einschaltung eines Privatgutachters – Sind die Kosten erstattungsfähig?

Infolge des Baubooms in den letzten Jahren ist auch die Anzahl an Bauprozessen stetig gestiegen. Die Bauherren sehen sich in den meisten Fällen einer Vielzahl von Mängeln ausgesetzt, ohne dass sie abschließend einschätzen können, ob es sich tatsächlich um Baumängel im rechtlichen Sinne handelt oder nicht. In vielen Fällen greifen Bauherren daher auf private Gutachter zurück und lassen sich von ihnen unterstützen. Das erfolgt entweder nur in Form einer kurzen Einschätzung, ob Baumängel vorliegen oder nicht, oder aber mittels einer Beratung während des Bauprozesses.

In einem Fall, den das OLG Stuttgart am 18.04.2019 entschieden hat, hatte der klagende Bauherr, der in bautechnischen Fragen ein Laie ist, sich Unterstützung von einem Privatgutachter geholt. Dieser hat ihn während des Bauprozesses beraten. Der Prozess endete in einem Vergleich mit anteiliger Kostenerstattung, weshalb der Bauherr im Rahmen des sich anschließenden Kostenfestsetzungsverfahrens die von ihm verauslagten Gutachterkosten geltend gemacht und insoweit Erstattung vom Gegner verlangt hat. Das OLG Stuttgart hat, anders als noch die Vorinstanz, die Erstattungsfähigkeit der Privatgutachterkosten anerkannt und den Gegner zur Zahlung verurteilt. Dies erfolgte mit der Begründung, dass es sich bei dem klagenden Bauherrn um einen Laien handelt, der auch prozessbegleitend auf sachverständige Hilfe angewiesen war. Einem Laien soll es gestattet sein, sich insbesondere bei einer Spezialmaterie und einem negativen Gerichtsgutachten gegen die Angriffe eines versierten bzw. spezialisierten Gegners, zumeist Fachfirmen, zu verteidigen, indem er sich Unterstützung bei einem Privatgutachter holt.

Mit dieser Entscheidung verstärkt sich einmal mehr die Tendenz der Rechtsprechung, dass Privatgutachterkosten erstattungsfähig sein können. Allerdings muss es sich bei dem Bauherrn um einen Laien handeln. Der Bauherr „mit eigener Sachkunde“ wird eine Erstattung seiner Privatgutachterkosten nicht verlangen können. Wenn ein Privatgutachter damit beauftragt wird, Mangelerscheinungen zu ermitteln, die bautechnische Kenntnisse voraussetzen, werden auch diese Kosten erstattungsfähig sein. Gleiches gilt bei besonderer Komplexität und der Möglichkeit, den Tatsachenvortrag des Gegners zu erschüttern. Auch wenn der nicht fachkundige Bauherr den Privatgutachter zur Vorbereitung eines Prozesses gegen einen fachkundigen Unternehmer einschaltet, sollen dessen Kosten erstattungsfähig sein. Wenn allerdings ein Privatgutachten „auf Verdacht“ eingeholt wird oder aber die Mängel ohne Hilfe eines Sachverständigen benannt werden können, gibt es keinen Erstattungsanspruch.

Wenn der Bauherr sicher gehen möchte, ob in seinem Fall die Privatgutachterkosten erstattungsfähig sind, sollte er sich möglichst vor der Einschaltung eines Privatgutachters rechtlichen Rat einholen.

Rechtsanwältin Michelle Jakob

Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
sowie Bau- und Architektenrecht

Müller-Hof | Rechtsanwälte, Karlsruhe
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28.05.2019 | Steuerrecht | Dr. Thomas Fr. Jehle

Erstmals verlängerte Abgabefristen für Jahressteuererklärungen 2018

Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 18.7.2016 (Bundesgesetzblatt 2016 I 1679) wurden die Fristen zur Einreichung von Jahressteuererklärungen verlängert.

Bis zum 31.12.2017 waren die Jahressteuererklärungen von nicht beratenen Steuerpflichtigen bis zum 31. Mai des Folgejahres beim Finanzamt einzureichen. Für steuerlich beratene Steuerpflichtige endete die Abgabefrist am 31. Dezember des Folgejahres. Erstmals für die Abgabe von Steuererklärungen für das Jahr 2018 gelten nun jeweils um zwei Monate verlängerte Fristen. Unberatene Steuerpflichtige müssen ihre Erklärung bis zum 31. Juli des Folgejahres und beratene Steuerpflichtige (bzw. für sie ihre Berater) bis zum letzten Tag des Februar des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres einreichen. Bei Steuerpflichtigen, die den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr ermitteln, endet die Frist nicht vor Ablauf des siebten Monats, der auf den Schluss des in dem Kalenderjahr begonnenen Wirtschaftsjahres erfolgt.

Allerdings kann das Finanzamt Steuererklärungen von beratenen Steuerpflichtigen schon vor der gesetzlichen Abgabefrist anfordern (§ 149 Abs. AO). Gründe hierfür können sein, dass

- Erklärungen für den vorangegangenen Besteuerungszeitraum nicht oder verspätet abgegeben wurden,

- für den vorangegangenen Besteuerungszeitraum innerhalb von drei Monaten vor Abgabe der Steuererklärung oder innerhalb von drei Monaten vor dem Beginn des Zinslaufs im Sinne des § 233a Abs. 2 S. 1 AO nachträgliche Vorauszahlungen festgesetzt wurden,

- Vorauszahlungen für den Besteuerungszeitraum außerhalb einer Veranlagung herabgesetzt wurden,

- die Veranlagung für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum zu einer Abschlusszahlung von mindestens 25 % der festgesetzten Steuer oder mehr als 10.000 EUR geführt hat,

- die Steuerfestsetzung aufgrund einer ESt-, KSt- oder USt-Erklärung voraussichtlich zu einer Abschlusszahlung von mehr als 10.000 EUR führt,

- eine Außenprüfung vorgesehen ist, ein Betrieb neu eröffnet oder eingestellt wurde,

- für Beteiligte an Gesellschaften oder Gemeinschaften Verluste festzustellen sind,

- eine automationsgestützte Zufallsauswahl angeordnet wurde.

Eine Fristverlängerung für die Abgabe von Steuererklärungen von beratenen Steuerpflichtigen wird künftig nur noch gewährt, wenn der Steuerpflichtige bzw. sein Berater ohne Verschulden verhindert ist oder war, die Frist einzuhalten. Das gilt auch für vorab angeforderte Steuererklärungen.

Rechtsanwalt Dr. Thomas Jehle

Fachanwalt für Steuerrecht
Jehle • Láng • Meier-Rudolph • Köberle, Freiburg
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28.05.2019 | Gewerblicher Rechtsschutz | Ingra Eva Herrmann

Das neue Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen - Schutz der "unternehmerischen Kronjuwelen"

Ende April 2019 ist das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) in Kraft getreten. Dadurch wird den geheimen geschäftlichen Informationen von Unternehmen und ihrem mitunter enormen Wert nun der Schutz gewährt, der schon lange gefordert wurde. Bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes waren Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch einzelne Normen in unterschiedlichen Gesetzen nur unzureichend geschützt. Das GeschGehG soll umfassenderen Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor unerlaubter Erlangung, Nutzung und Offenlegung gewähren.

Für die Praxis äußerst wichtig ist die Tatsache, dass Geschäftsgeheimnisse im Sinne des neuen Gesetzes nicht jegliche Art von „Geheimnissen“ sind, nur weil das Unternehmen sie als solche betrachtet. Für die Qualifikation einer Information als „Geschäftsgeheimnis“ müssen vielmehr besondere Voraussetzungen vorliegen. Auf Unternehmensseite besteht damit dringend Handlungsbedarf, diese Voraussetzungen zu schaffen. Nach der Definition liegt ein Geschäftsgeheimnis nämlich nur dann vor, wenn es sich um eine Information handelt,

• die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist und

• die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist und

• bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht.

Dies bedeutet, dass auf Seiten des Inhabers künftig angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen notwendig sind, die auch als solche zu dokumentieren sind. Als konkrete Geheimhaltungsmaßnahmen können folgende Maßnahmen dienen:

• vertragliche Schutzmechanismen (z.B. Geheimhaltungsklauseln in Verträgen, Abschluss von Vertraulichkeitsvereinbarungen / NDAs),

• organisatorische Schutzmechanismen (z.B. Katalogisieren und Kategorisieren von Geschäftsgeheimnissen, Kennzeichnung von Geschäftsgeheimnissen als solche, Beschränkung der „Geheimnisträger“ im Sinne des sog. „Need to know-Prinzips“, Benennung eines Geheimnisschutzbeauftragten, Schulung der Mitarbeiter),

• IT-Schutzmechanismen (z.B. Nutzungsbeschränkungen, beschränkter Einsatz privater IT-Geräte, automatische Bildschirmsperren, Überwachung von Datenströmen sowie Einhaltung der IT-Sicherheits-Standards),

• räumliche Schutzmechanismen (z.B. Zutrittskontrollen, Besuchermanagement, Regelungen zur eingeschränkten Mitnahme von Unterlagen ins Home-Office, gesicherte Schränke / Tresore).

Bildhaft gesprochen gelten nach dem GeschGehG „unternehmerische Kronjuwelen“ nur dann als solche, wenn das Unternehmen sie „alarmgesichert in einem Tresor verwahrt“ hatte.

Es sollte daher in jedem Unternehmen geprüft werden, welche Informationen als geheimhaltungsbedürftig zu qualifizieren und von entsprechendem wirtschaftlichem Wert sind. Für diese sollten dann geeignete und angemessene Maßnahmen ergriffen werden, welche „für den Fall der Fälle“ gut dokumentiert sein sollten.

Dem Inhaber von solchermaßen geschützten Geschäftsgeheimnissen können gegenüber dem Verletzer Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung, Vernichtung, Herausgabe und Rückruf, Auskunft und Schadensersatz zustehen.

Rechtsanwältin Ingra Eva Herrmann

Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht
Wirtschaftsmediatorin

Müller-Hof | Rechtsanwälte, Karlsruhe
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28.05.2019 | Arbeitsrecht | Simon von Rudloff

Jeder Arbeitgeber muss die Arbeitszeit erfassen

Ein Rechtsstreit, der über die spanische Gewerkschaft gegen die dortige Deutsche Bank vor dem Europäischen Gerichtshof geführt wurde, dürfte nun erhebliche Konsequenzen auch in Deutschland haben.

So hat der Europäische Gerichtshof in Luxemburg am 14.05.2019 (vgl. AZ. C-55/18) entschieden, dass alle EU-Staaten durchsetzen müssen, dass Arbeitgeber für eine systematische Erfassung der Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter sorgen. Nur auf diese Weise lasse sich überprüfen, ob zulässige Arbeitszeiten überschritten werden und welche etwaigen Ansprüche ein Mitarbeiter (bspw. wegen Überstunden) hat. Der EuGH hat zur Begründung auf die in den EU-Richtlinien und der EU-Grundrechtecharta zugesicherten Arbeitnehmerrechte verwiesen.

Da bislang nicht jede Branche und jeder Arbeitgeber die Arbeitszeiterfassung systematisch durchführt – regelmäßig werden bspw. nur die Überstunden erfasst –, müssen künftig wohl auch in Deutschland in sämtlichen Bereichen die täglich geleisteten Stunden aufgezeichnet werden.

Rechtsanwalt Simon von Rudloff

Jehle • Láng • Meier-Rudolph • Köberle, Freiburg
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28.05.2019 | Arbeitsrecht | Martin Hertzberg

Änderungen bei Aushilfen und Geringverdienern

Es ist gesetzlich zulässig, „Arbeit auf Abruf“ zu vereinbaren. Arbeitszeit und Vergütung richten sich dann nach dem tatsächlichen Arbeitsanfall. Allerdings muss dabei eine bestimmt (Mindest-)Dauer der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit festgelegt werden. Ohne eine solche Festlegung, also bei völlig freibleibender Vertragsgestaltung, galt bisher eine Arbeitszeit von 10 Wochenstunden. Seit 2019 sind es nach § 12 Teilzeit- und Befristungsgesetz 20 Wochenstunden.

Solch flexible Verträge „auf Abruf“ finden sich vor allem bei geringfügig beschäftigten Aushilfen („Minijobs“). Der neue Wert von 20 Wochenstunden (wenn nichts anderes vereinbart wurde) führt jedoch in Kombination mit dem Mindestlohn zu einer deutlichen Überschreitung der Grenze der geringfügigen Beschäftigung von EUR 450,00 monatlich und damit zu Sozialversicherungspflicht.

Ein besonderes Risiko ergibt sich daraus, dass die Sozialversicherungsträger die Beiträge aus dem Entgelt berechnen, das die Arbeitnehmer beanspruchen können, auch wenn sie es tatsächlich nicht erhalten. Als Folge ist dann neben Beitragsnachzahlungen auch noch mit entsprechenden Entgeltnachforderungen zu rechnen.

Deshalb ist zu empfehlen, von allzu flexiblen Gestaltungen abzusehen und stattdessen eine wöchentliche oder monatliche (Mindest-)Arbeitszeit zu regeln und eventuell zusätzlich mit einem Zeitkonto für Plus- und Minusstunden zu arbeiten. Bei nur sporadisch eingesetzten Kräften sollten Befristungen in Betracht gezogen werden, die allerdings jeweils schriftlich erfolgen müssen.

Eine weitere Neuerung ist, dass bei „Arbeit auf Abruf“ die über die Mindestarbeitszeit hinaus abrufbare Arbeit auf 25 % der Mindestarbeitszeit begrenzt ist. Zu weitergehender Arbeitsleistung sind die Arbeitnehmer nicht verpflichtet. Allerdings werden Arbeitnehmer meist auch bereit sein, bei Bedarf im Einzelfall noch darüber hinaus Arbeitszeit zu erbringen, um ein höheres Entgelt zu erzielen. Sollte stattdessen eine maximale Stundenzahl vereinbart worden sein, darf sie um höchstens 20 % unterschritten werden.

Nach wie vor gilt, dass bei „Arbeit auf Abruf“ eine Verpflichtung zur Arbeitsleistung nur besteht, wenn die Einsatzzeit mindestens vier Tage im Voraus mitgeteilt wurde.

Und noch eine weitere Gesetzesänderung betrifft die gering verdienenden Teilzeitkräfte:

Noch gilt von EUR 450,01 bis EUR 800,00 brutto die „Gleitzone“, in der Sozialversicherungspflicht besteht, der Arbeitnehmer aber noch nicht mit den vollen Arbeitnehmerbeiträgen belastet wird. Er hat aber die Möglichkeit, den reduzierten Rentenbeitrag selbst aufzustocken, um ungekürzte Rentenansprüche zu erwerben. Ab 01.07.2019 gibt es keine „Gleitzone“ mehr, sondern einen „Übergangsbereich“, der von EUR 450,01 bis EUR 1.300,00 reicht. In diesem Bereich nähern sich die Arbeitnehmerbeiträge Schritt für Schritt dem vollen Beitrag. Das führt dazu, dass Arbeitnehmer mit z.B. EUR 1.000,00 brutto zukünftig ein höheres Nettoentgelt haben als bisher. Besonders erfreulich ist für die Arbeitnehmer, dass sie nun nicht mehr den Rentenbeitrag aufstocken müssen, um Nachteile zu vermeiden. Eine solche Aufstockung gibt es nicht mehr, vielmehr werden die Arbeitnehmer trotz reduzierter Beiträge rentenrechtlich trotzdem so gestellt, als wäre der volle Beitrag gezahlt worden.

Rechtsanwalt Martin Hertzberg

Fachanwalt für Arbeitsrecht
Müller-Hof | Rechtsanwälte, Karlsruhe
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